Kolumne

TATSÄCHLICH LIEBE – Warum es beim Kunstkauf sehr oft auch ums Verlieben geht

© Ian Schneider

Die Liebe auf den ersten Blick, die gibt es auch beim Kunstkauf. Mal trifft es einen wie der Blitz, mal ist es ein schüchternes Vergucken, ein erstauntes Bewundern. Sowohl die Liebe wie die Kunst sprechen das Herz direkt an. Beide können Grenzen aufheben. Sie können Einigkeit spenden oder Verwirrung stiften.

Es ist möglich, dass man so sehr für die Arbeit eines Künstlers entbrennt, dass man auf Originale verzichtet, weil man nur an sein Werk denken kann. Es ist ebenso möglich, dass man sich in ein Bild, eine Skulptur oder sogar einer Idee von Kunst so sehr verknallt, dass der Preis völlig in den Hintergrund tritt. Wer sich verliebt, verhält sich nicht immer logisch. Man berauscht sich. Ist euphorisch. Folgt seiner eigenen Logik. Man ist verliebt.

Kunst kann uns tief bewegen und bisher Verborgenes ansprechen. So wie es Menschen gibt, die uns begegnen und einen Abdruck in uns hinterlassen, wenn wir sie um uns haben. Kunst ist anregend und unterschiedlich. Ihre Wirkung ist es ebenso. Man wird zum Nachdenken angeregt. Die Stimulus führt uns ein Stück weiter in unser Inneres und an die Orte, an dem unsere verborgenen Wünsche liegen. Die Laune hebt sich, man schöpft Kraft. Man möchte besitzen, was man anziehend findet, eine längere Beziehung damit eingehen, es täglich wiedersehen. Man wird sich nicht immer rational verhalten. Die Leidenschaft ist geweckt.

Kunst kann unerwartete Gefühle. Auch dies macht sie den Menschen ähnlich, für die wir uns im Leben entscheiden. Ein Werk, in das wir uns verlieben, ist einzigartig für uns in diesem Gefühl, das sonst nur anderen Menschen gilt. Manchmal verliebt man sich in ein Gegenteil, in die Inspiration, die Verwunderung, die man empfindet, wenn man mit diesen Menschen zusammen ist. Oder mit diesem Werk. Es fordert heraus und konfrontiert uns mit Fragen. Nach einer anderen Welt, nach einem neuen Ich. So wird Kunst, die uns innig berührt, beinahe ein lebendiges Gegenüber. Im Betrachten dieser Kunst fühlen wir uns so leicht und wohl wie vor einem ersten Kuss.

Manchmal berauscht einen dieses erste Gefühl, das initiale Verlieben, so sehr, dass man es immer wieder erleben möchte. Wer das Konzept der Einzigartigkeit der Liebe hinter sich lässt, dem steht auch in der Kunst ein Überangebot aus amourösen Wahlmöglichkeiten offen, in der man sich leicht verlieren kann.

Oder es passiert mit einem Werk, wie es in so vielen Beziehungen geschieht. Die Liebe verebbt; man hat sich im buchstäblichen Sinne satt gesehen. Wer die Entscheidung trifft, sich zu trennen, der hat es an dieser Stelle tatsächlich einfacher als in der Liebe. Und an Möglichkeiten der Trennung gibt es viele: man kann verkaufen, verleihen, oder die einstige Flamme gut verpackt im Keller unterbringen. Der Abschied lässt sich überwinden und vielleicht hängt ein bereits ein neues Liebesobjekt schon gut gerahmt im Lesezimmer. Im Hinblick auf Kunst darf man es ruhig laut sagen: Liebe ist bisweilen flüchtig. Und dabei auch noch käuflich.

Herzlich!

Ihre Daniela Hinrichs