Kolumne

KUNSTKAUF FÜR ANFÄNGER*INNEN – Einfach erklärt in 8 Schritten

Photo Lindsay Henwood/unsplash

Ist das Kunst oder kann das weg? Viele Menschen glauben, dass sie nicht genug Ahnung von Kunst haben, um den Preis eines Werks realistisch beurteilen zu können. Sie scheuen sich aus verschiedenen Gründen, selbstbewusst eine Galerie, ein Atelier oder einen Messestand anzusteuern. Das ist bedauerlich, aber verständlich; schließlich wirkt der Kunstmarkt nicht nur auf Unerfahrene komplex und Hinblick auf die Preise intransparent. Sehr gut möglich, dass Sie sich bereits mit den beiden großen Fragen beschäftigt haben: Wie erkenne ich richtig gute Kunst? Wer setzt eigentlich die Preise fest, die gefühlt immer zu hoch sind?

Als sehr spezielles Phänomen des Konsums und aufgrund zahlreicher Berichte über Kunst-Eliten und Höchstgebote kann der Kunstmarkt durchaus einschüchternd wirken. Leider gerät dabei häufig in Vergessenheit, dass es jenseits von Top-Losen und Blue-Chip Galerien einen unaufgeregten, leisen Kunstmarkt gibt, auf dem Prestige, Preisrekorde und Privatjets keine Rolle spielen. Für jeden zugänglich, bietet er die Chance, großartige Kunst mit Muße zu betrachten, sich zu verlieben und sie zu kaufen.

Mit diesem Quick-Guide für Anfänger*innen ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt, um den Einstieg in den Kunstmarkt zu finden. Los geht´s!

1. Geben Sie Ihren Augen Futter!

Galerist*innen, Sammler*innen und Kunstprofis schulen ihr Auge – ständig. Von Aachen bis Abu Dhabi war ihr Kalender mit Messeterminen, Biennalen, Triennalen und Vernissagen gespickt. Jetzt sind sie mehrheitlich online unterwegs. Das können Sie auch! Besuchen Sie so oft es geht ein virtuelles Kunstevent, ein Museum, den Kunstverein in Ihrer Umgebung oder blättern in einem Kunstkatalog. Denn je mehr gute Kunst Sie sehen, desto besser werden Sie starke Arbeiten von schwachen Werken oder gar von Dekoration unterscheiden können.

Übrigens: Arbeiten wenig bekannter Künstler*innen aus kleinen Galerien erhalten durch die Online-Präsenz erstmals die Chance, überhaupt gesehen zu werden – und bieten so gute Gelegenheiten, in den Markt einzusteigen.

2. Stellen Sie diese sieben Fragen, um zu filtern!

Neben Basics wie – wo haben die Künstler*innen studiert, ausgestellt, veröffentlicht – lohnen sich folgende Fragen: Gibt es ein künstlerisches Erkennungszeichen? Das Werk guter Künstler*innen sollte etwas Einzigartiges haben, einen hohen Wiedererkennungswert, eine eigene Handschrift. Gibt es einen Bruch? Gute Arbeiten haben meist eine Irritation. Eine Ungereimtheit, die fesselt und ins Bild zieht und im Gedächtnis bleibt. Wie haben sich die Künstler*innen über die Jahre entwickelt? Bauen ihre Werkzyklen (z.B. Serien) aufeinander auf? Verfeinern sie ihre Technik? Wie intensiv behandeln Künstler*innen ihr Thema? Welchen Aufwand betreiben sie dafür? Künstler*innen recherchieren häufig monatelang bis sie mit der Umsetzung beginnen.

3. Muss gute Kunst teuer sein?

Den richtigen Preis für ein Kunstwerk gibt es nicht. Er ist ein Hybrid aus Nachfrage, Image, Weltwirtschaftslage, Künstler*innen-Vita und Originalität. Niemand wird für wenig bekannte Künstler*innen überteuerte Preise verlangen. Schließlich sollen ihre Werke verkauft und damit bekannter werden. Den Wert etablierter Künstler*innen wiederum bestimmt der Markt. Auch hier werden Galerist*innen selten Experimente wagen, denn sie wissen, was Käufer*innen ausgeben würden und was nicht. Bei dekorativen Arbeiten sieht es oft anders aus. Weil der Mythos „was viel kostet muss gut sein“ uns wirtschaftlichen Wert suggeriert, sind plakativ-oberflächliche Arbeiten in handwerklich schlechter Ausführung oft überteuert.

4. Hören Sie auf Ihre Intuition!

Vintage-Prints, Seestücke oder indische Gegenwartskunst – Sie entscheiden, was Ihnen wirklich gefällt. Hören Sie auf Ihre Intuition oder entscheiden Sie sich bewusst dagegen. Ihr Bauchgefühl beruht auf bereits gemachten Erfahrungen und kann Sie beim Kunstkauf in die Irre führen. Nehmen Sie sich ein bis drei Nächte, um über eine Kaufentscheidung zu schlafen. Sammeln Sie auf Ausstellungen Preislisten ein, um ein gutes Gefühl für Zahlen im Kunstmarkt zu bekommen. Weltweit können Sie – nach einer häufig erstaunlich unkomplizierten Anmeldung und quasi unbehelligt – Preise vergleichen und kaufen, bzw. bei Auktionen auf ein Kunstwerk bieten. Wer hier gezielt schaut, kann sich rasch orientieren und Vorteile nutzen.

Achtung: Kaufentscheidungen sind verbindlich. Um ein, zwei Tage Bedenkzeit können Sie ohne schlechtes Gewissen bitten. Allerdings sollten Sie es nicht zur Gewohnheit werden lassen bei Galerien zu reservieren, ohne dann anschließend zu kaufen. Das wirkt schnell unseriös und wäre schade, weil Sie Galerien und Künstler*innen mit Ihrer Reservierung Hoffnung auf einen Verkauf machen. Erkundigen Sie sich bei begrenztem Budget nach Finanzierungsmöglichkeiten, zum Beispiel An- oder Ratenzahlungen in passenden Portionen.

5. Darf ich beim Preis verhandeln?

Wenn es sich dabei um eine Edition, einen Druck handelt, dann könnten Sie mit dem nötigen Fingerspitzengefühl versuchen, einen kleinen Preisnachlass auszuhandeln. Sollte es sich um ein Einzelstück, eine seltene Arbeit eines Künstlers handeln, haben Sie wahrscheinlich schlechte Karten. Bedenken Sie, dass sich Galerist*innen oder Künstler*innen in der Regel den Verkaufspreis zu je 50 Prozent teilen. Dass sie viel Arbeit, Herzblut und nicht zuletzt Kosten in die Realisierung der Werke und der Ausstellung gesteckt haben. All das kostet sehr viel mehr, als Sie auf den ersten Blick vermuten würden.

Achtung: Erliegen Sie nicht der Versuchung auf Ausstellungen, Messen oder Galerienwebsites gesehene Arbeiten direkt bei Künstler*innen kaufen zu wollen, obwohl Galerien oder Kunsthandlungen klar den Künstler*innen zuzuordnen sind. Wenn alles seine Ordnung hat und die Künstler*innen integer sind werden sie Sie an die richtigen Ansprechpartner*innen verweisen.

6. Nebenkosten – Was kommt auf mich zu?

19% MwSt.: sollte beim Kauf enthalten, bzw. ausgewiesen sein – wenn es nicht auf der Rechnung steht oder nicht klar ersichtlich, fragen Sie nach! Bei Käufen im Ausland gelten andere Mehrwertsteuersätze. Auch die Höhe der Zölle bei Ausfuhr sowie Einfuhr sind dann zu beachten. Rahmung: üblich ist es, das Bild in einer Ausstellung „gekauft wie gesehen“ zu erwerben, also mit Rahmen, wenn es so in der Galerie hängt. Außer es ist anders ausgewiesen. Erkundigen Sie sich. Falls die Bilder rahmenlos angeboten werden, lohnt die Frage, ob der Rahmen als Rabatt inklusive wäre. Logistik: Für die Kosten der Lieferung Ihres Werkes sind Sie zuständig. Dies könnte allerdings etwas Verhandlungsspielraum bieten, sollte die Galerie die Lieferung als Rabatt im Preis mitberücksichtigen. Ich sage Ihnen ganz offen: das kommt selten vor.

7. UUUPS! – FEHLKAUF

Natürlich ist es ärgerlich, wenn viel Geld für etwas ausgegeben wurde, was schon nach kurzer Zeit aus dem Wohnzimmer in den Keller verbannt wird, weil es Ihnen doch nicht mehr gefällt. Ganz wichtig: Treffen Sie jetzt keine vorschnellen Entscheidungen. Behalten Sie die Arbeit erst einmal. Lagern Sie Ihr Kunstwerk ein und schauen nach einer Weile noch einmal drauf. Und Lassen Sie sich nicht von gut gemeinten Ratschlägen Außenstehender in die Irre leiten – die Zeit ist hier oft der bessere Ratgeber.

8. AUAA! – BUDGET GESPRENGT

Man verliebt sich in eine Arbeit, besiegelt den Kauf – und hat sich finanziell überschätzt, weil vielleicht unvorhergesehen höhere Ausgaben angefallen sind. Passiert. Trotzdem kein schönes Szenario. Natürlich auch für die Galerien, weil sie den Künstler*innen ihren Anteil möglicherweise schon ausgezahlt haben. Ein sofortiger Wiederverkauf wirft ein schlechtes Licht auf den Urheber: also auf Sie. Und wer ein Werk um jeden Preis loswerden will, wird eher Verluste machen und selten den erhofften (realistischen) Preis dafür bekommen. Gehen Sie offen mit dem Thema um und suchen das Gespräch mit den Galerien. Insbesondere dann, wenn diese beim Verkauf ein Vorkaufsrecht geäußert haben, zum Beispiel bei einer herausragenden Fotoarbeit oder einer seltenen Edition.