Der Effekt von COVID-19 auf den weltweiten Kunstmarkt
Wie Millennials und BabyBoomer den Kunstmarkt retten, warum Covid-19 lokalen Märkten Aufwind verschafft und wer für 2021 optimistisch in die Zukunft blicken darf
Die Krise offenbart, woran der Kunstmarkt seit langem krankt: an einer veralteten und übersichtlichen Käuferschaft, Intransparenz, kostenstrapazierenden Messen und dem Fokus, Kunst als Wertanlage mit hohen Renditen zu vermarkten. In der kürzlich publizierten UBS-Studie „The Impact of Covid-19 on the Gallery Sector“ wurden die Auswirkungen der Covid-19 Pandemie auf den 64 Mrd. USD schweren Kunstmarkt untersucht. Die Umfrage gibt Einblicke in die Erfahrungen von Galerist*innen und das Verhalten von vermögenden Käufer*innen im wirtschaftlich angeschlagenen Kunstmarkt.
Krise? – Vermögende Akteure kaufen gegen den Trend und investieren Millionen
Kunst entwickelte sich in bestimmten Preissegmenten zur Kapitalanlage, da sie neben Immobilien und Gold in Krisenzeiten als sichere Option zum Werterhalt von Vermögen gilt. Die kapitalstarken Käufer*innen verhielten sich dementsprechend antizyklisch im einbrechenden Markt: 92 Prozent der befragten vermögenden Sammler*innen waren im ersten Halbjahr trotz Pandemie aktiv und erwarben weiterhin Kunst. 16 Prozent von ihnen investierten dabei über 1 Million USD, während 56 Prozent aller Befragten mit ihren Ausgaben für Kunst bei über 100.000 USD lagen. Was überrascht: Je älter die Käuferschaft, desto weniger kooperierte sie mit Galerien.
Krise! – Umsatzeinbruch, Personalabbau und Kostenbremse bei den Galerien
Am härtesten trifft die Pandemie die Galerien mit einem Umsatz von weniger als 500.000 USD (in der Studie als „kleinere Galerien“ bezeichnet). Sie vermeldeten die höchsten Verkaufsrückgänge, einhergehend mit dem größten Anteil des Personalabbaus (38 Prozent). Statt sich wie im Jahr zuvor auf das Messegeschäft und eine internationale Käuferschaft zu konzentrieren, galt im ersten Halbjahr 2020 vor allem: Kosten senken, um rentabel zu bleiben. Die bereits vor der Pandemie herrschenden fragilen Beschäftigungsstrukturen hielten den fehlenden Umsätzen als Konsequenz der Schließungen der Verkaufsräume, den abgesagten Messen und dem vernachlässigten Online-Geschäft nicht stand. Verglichen mit dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, verzeichneten Galerien einen Rückgang der durchschnittlichen Verkäufe um 36 Prozent (bei einem mittleren Rückgang um 43 Prozent).
Einziger Lichtblick: 2019 stellten die Ausgaben für Kunstmessen mit durchschnittlich 29 Prozent der Jahresbudgets den größten Kostenblock dar; höher als Löhne oder Mieten. Durch die Absage von Veranstaltungen halbierten sich diese Ausgaben in der ersten Hälfte des Jahres 2020 beinahe und auch die Reisekosten wurden um mehr als ein Drittel gesenkt. Für einige Galerien kompensierte dies die Verluste aus fehlenden Verkäufen, da andere Kosten relativ stabil blieben.
Auftrieb: Millennials überraschen mit Kaufkraft und Optimismus
Als tragende und treue Stütze des Kunstmarktes erwies sich unerwartet die Generation der Millennials. Die medial als überfordert und egoistisch bezeichnete „Generation Me“, dieses beruflich ins Abseits geschriebene Cluster einstiger Hoffnungsträger*innen, rettete in den ersten sechs Monaten des Jahres 2020 vielen Galerien weltweit ihre Existenz. So hatte das Millenniums-Segment hier den größten Anteil an den höchsten Umsätzen: 17 Prozent investierten im ersten Halbjahr 2020 mehr als 1 Million USD, gegenüber kargen 4 Prozent der Boomer. 59 Prozent der befragten Millennials bestätigten, dass die Pandemie ihr Interesse zu sammeln beflügelte und hielten ihren Künstler*innen am konsequentesten die Treue.
Paradigmenwechsel: Boomer fördern neue Positionen
Lange galten diese finanzstarken Käufer*innen, besonders aus den USA, als garantierte Umsatzbringer*innen. Ihre finanziellen Möglichkeiten, weltweit zu Messen und Kunstevents zu reisen, gepaart mit einem jährlich gut aufgestockten Budget für ihre Einkäufe, machten sie zu den wichtigsten Wertebewahrer*innen und -optimierer*innen im Wirtschaftssystem Kunst.
Es ist insofern nicht überraschend, dass der Fokus von Galerien in der Vergangenheit überproportional auf diese überschaubare, schwer zu fassende und tatsächlich wenig loyale Kohorte gerichtet war. Die aktuellen Zahlen der UBS-Survey dokumentieren in diesem Punkt einen Paradigmenwechsel im Kunstmarkt. Zwar kauften 40 Prozent der Befragten aus der Generation Boomer in den ersten Monaten der COVID-19 Krise mehr als doppelt so viel wie Millennials, verzichteten dafür allerdings auf die Unterstützung von Galerien, welche die Arbeiten ihrer Künstler*innen bei der solventen Käuferschaft nicht platzieren konnte. Entsprechend profitierten neue und unentdeckte Positionen vom Unabhängigkeitsgeist und der Kaufkraft der Boomer-Generation, insbesondere derer aus Großbritannien.
The Winner Takes It All: Onlinehandel profitiert von Neukundengeschäft
Wie zu erwarten zählen die guten Ergebnisse im Online-Verkauf zu den positiven Auswirkungen der Pandemie. Händler*innen berichteten, dass 26 Prozent ihrer Verkäufe an Kund*innen ging, mit denen sie noch nie persönlichen Kontakt hatten. Besonders für Galerien mit einem Umsatz von weniger als 250.000 USD erwiesen sich die Online-Verkäufe als existenziell: hier waren Neukund*innen für 35 Prozent des Online-Umsatzes verantwortlich.
Die größten Player im Kunstmarkt profitierten dabei überdurchschnittlich vom Wachstum im Online-Segment (2019: +10 Prozent, 2020: +37 Prozent , erstes Halbjahr im Vergleich). Galerien mit Umsätzen von über 10 Mio. USD verzeichneten mit fast fünffacher Steigerung den höchsten Sprung (auf 38 Prozent), für Verkäufe im Internet.
Hashtag-Buyers: Instagram als wichtigster Kanal
Der Trend, Kunst online zu erwerben, entspricht der gesamten Entwicklung des Kunstmarktes, der aufgrund stetig neuer Käufer*innen immer größer, digitaler und globaler wird.
Etwas mehr als ein Drittel der Sammler*innen nutzten die virtuellen Räume von Galerien oder weiteren Online-Plattformen für den Kauf von Kunst. Wenig überraschend auf dem Siegertreppchen: die audiovisuelle Plattform Instagram. Satte 32 Prozent der Befragten gaben an, Werke direkt über Instagram gekauft zu haben.
Eine der größten Errungenschaften in der Covid-19 Krise ist die steigende Preistransparenz im Kunstmarkt. Für über 80 Prozent der Befragten war die klare Bepreisung eine der Grundvoraussetzungen beim Durchstöbern der Angebote im Netz.
Lokal vs. global: Kunstmessen unter Druck
Das Geschäft der Kunstmessen ist eng mit ganzen Wirtschaftszweigen verwoben: Versicherungen, Hotellerie, Gastronomie, Eventmanagement, Logistik, Druckereien und weitere Branchen tragen mit einem Heer an Mitarbeiter*innen maßgeblich Anteil zum Erfolg des Messegeschäfts bei. Hier trifft der Optimismus vermögender Sammler*innen für 2021 möglicherweise auf eine desolate ökonomische Lage.
Trotzdem: Sich zu treffen, zu zeigen und Kunst vor Ort zu begutachten wird eine der Urbewegungen in der Kunst bleiben. Auch das Messegeschäft wird vorerst als Hauptfeiler für Galerien und somit wichtigster Treiber für Umsätze standhalten. Vor allem jüngere Sammler*innen planen aktiv, Kunst-Veranstaltungen sowohl vor Ort als auch weltweit zu besuchen. Messen in den eigenen Ländern und Städten, nehmen an Bedeutung und Sichtbarkeit zu. Die Kosten sind geringer, es kann mehr und abwechslungsreicher gezeigt werden. Das regional eher vernachlässigte Publikum ist zu einer attraktiven Zielgruppe für den Kunstkauf herangewachsen und freut sich über die neue Aufmerksamkeit.
Ausblick 2020: Trotz leichtem Optimismus gedämpft
Auch angesichts positiver Entwicklungen und Impulse bleibt die Stimmung unter den Galerist*innen vorerst trüb: Eine Verbesserung der Verkäufe auf Messen ist ihrer Meinung nach nicht in Sicht (91 Prozent).
Galerien und Kunsthandlungen ohne einen Kundenstamm jüngerer Käufer*innen werden die Auswirkungen der Covid-19 Krise wirtschaftlich am härtesten spüren.
Während die Sammler*innen aus China und Hongkong am wenigsten optimistisch in die Zukunft blicken, sind die Sammler*innen aus USA positiver aufgestellt. Die längerfristige Zunahme des Vertrauens in den Kunstmarkt spiegelt besonders dort die Zuversicht in das Kunstjahr 2021 wider.