Daniela Hinrichs

Meine kurze Antwort darauf heute lautet: Nein. Retrospektive: Vor ungefähr zehn Jahren wurde mir diese Frage von einer Bekannten gestellt. Die Arbeiten einer Berliner Künstlerin spiegelten ihre Empfindungen auf präzise Art und Weise wider. Und dies, obwohl die beiden sich bis dato nie begegnet waren. Sich mit diesen Bildern in den vertrauten Wänden zu umgeben, war für sie eine emotionale Erfahrung. Sie fühlte sich gesehen und verstanden. Der Wunsch, die Künstlerin kennen zu lernen, beschäftigte sie intensiv. Meine Antwort war damals nicht so klar wie heute: Ich ließ es ihr offen. Meine Perspektive war eine andere.

Als Sammlerin gehört es dazu, mich mit den Arbeiten der Künstler:innen intensiv auseinander zu setzen. Atelierbesuche sind ein wirksamer Weg dafür. Zudem bieten sie Kunstschaffenden die Möglichkeit, spontan Arbeiten zu verkaufen. Die persönliche Einladung in ein Atelier ist ein Vertrauensvorschuss. Angefangene Arbeiten stehen herum, manchmal dienen die Räume den Künstler:innen als Arbeits- und Wohnort zugleich. Nicht jede:r Schaffende hat Freude am direkten Gespräch und fühlt sich eloquent genug, die Arbeiten zu beschreiben. Im Kopf geblieben ist mir die Begegnung mit einem Berliner Maler. Im Atelier des Fotografen Oliver Mark hing eine kleine Arbeit von ihm. Als wir darüber ins Gespräch kamen und ich Fragen zu seiner Technik hatte, erwiderte der Maler: „Wenn ich beschreiben könnte, was ich mache, dann wäre ich Autor geworden“. Touché! War aber sicher nicht das, was meine Bekannte sich als Antwort erhofft hätte.

Deswegen heute mein klares Nein. Was spricht dafür, die empfundene Verbundenheit und Euphorie einem Realitätscheck zu unterziehen? Nicht besonders viel, denke ich. Das Band zwischen Künstler:in und Sammler:in ist doch schon längst geflochten. Die Arbeiten begeistern, die Nachfrage bleibt erhalten, das Schaffen kann weitergehen.

Wesentlich ist doch, dass wir uns einer Arbeit verbunden fühlen. Und nicht der Person, die sie erschaffen hat. Sicherlich: Die Diskussion, ob man Künstler:innen von ihrem Werk trennen kann, ist eine ewige. Dazu an anderer Stelle mehr. Wieso ein Bild uns so intensiv an etwas Eigenes erinnert – diese Antwort werden wir nicht von außen bekommen. Und auch die Künstler:innen brauchen unsere Interpretation nicht für ihr Schaffen. Wenn sie eine Arbeit verkaufen, dann ist sie abgeschlossen und künstlerisch nichts mehr hinzu zu fügen. Was wir beim Betrachten dann empfinden, ist ganz und gar persönlich.

Es ist ganz einfach. Beziehungsweise eben gerade nicht so einfach: Die Abgrenzung von Kunst und Kommerz lässt sich nicht mit fixen Linien ziehen. Das liegt an den Wechselbeziehungen, in denen die Kunst steht und an ihren eigenen volatilen Wertesystemen, die sie am Markt tragen. Der richtige Wert von Kunst entsteht dort, wo die kulturelle Ebene und der kommerzielle Horizont aufeinandertreffen. Oder anders ausgedrückt: Es ist schlichtweg eine Frage der Perspektive, nämlich der Perspektive, die Sie als Individuum einnehmen.

Seitdem die New Economy und globale Wirtschaftskrisen Anfang des 21. Jahrhunderts die
zeitgenössische Kunst immens mit monetärer Bedeutung aufgeladen haben, stecken wir mitten in dem Versuch, profane Werke in ihrem Wert von Kunst zu unterscheiden. Ein auswegloses Unterfangen? Ich sage:

Mit dieser Kunstformel kann es gelingen!

Stellen Sie sich einen dreibeinigen Hocker vor. Jedes Bein steht für ein wichtiges Erkennungszeichen eines Kunstwerkes: erstklassiges Handwerk, Schöpfer:innenkraft und Authentizität. Sie können Ihrem Hocker selbstverständlich eigene Attribute geben. Wichtig ist nur: ein fester Hocker-Stand ist für Sie das Zeichen, dass das, was Sie kaufen wollen, für Sie wertvoll ist. Ist eine Seite verkürzt, also zum Beispiel nicht authentisch, dilettantisch gemacht oder die Kopie einer Kopie, dann kippt der Wert des Kunstwerks. Für diese Fälle gibt es Tricks, um uns davon abzulenken. Drei davon kennen Sie ab sofort:

Trick 1

Mach es groß! Kunst ist erhaben, wenn wir uns klein fühlen. Groß suggeriert uns das Prädikat „gut“. Kirchen haben die architektonischen Vorteile ihrer Gebäude Jahrhunderte für sich genutzt. Wir staunen beeindruckt, wenn etwas überdimensional groß ist.

Trick 2

Mach es intellektuell! Künstlich verkopfte und über-akademische Arbeiten, denen eindeutig die Schöpfungskraft fehlt, versuchen mit intellektuell-elitären Ansätzen eine Abgrenzung zu schaffen, damit sie nicht hinterfragt werden können. Statt uns die Möglichkeit zu geben, uns mit der Arbeit intuitiv und emotional auseinander zu setzen, verpassen uns dröge Arbeiten Knoten im Kopf oder das Gefühl, keine Ahnung von Kunst zu haben. Ein uncooler Effekt.

Trick 3

Mach es laut! Provokation und kalkulierte Skandale werden gerne effektvoll eingesetzt, um über Schwächen hinweg zu täuschen. Die Provokateur:innen wissen um den wirkungsvollen Auftritt vor einer hedonistischen Gesellschaft, die gerne nach Skandalen und Überzeichnungen sucht. Bestimmte Käufer:innen wollen vom vermeintlichen Prestigetransfer profitieren: Schließlich dient es als Beweis für ihren geistig-kulturellen Status, ihre Risikofreude und ihre Vermögenssituation.

Die größte Herausforderung für Sie ist jetzt: Unterliegen Sie nicht der Versuchung, alles was groß, sachlich oder provokativ ist, vorschnell als schlechte Kunst zu deklarieren. Kunst möchte gesehen werden. Schauen sie hin und machen Sie sich Ihr eigenes Bild. Falls es Ihnen Freude macht, prüfen Sie die Kunst, die Sie gerade vor sich haben. Ist sie übertrieben oder nachlässig gemacht? Zu selbstbezogen, zu unpersönlich oder zu bemüht? Im Gespräch mit Menschen, die es wissen können, sind Sie auf dem Weg, künstlerische Fixpunkte zu finden, an denen Ihre Neugier und Aufmerksamkeit haften bleiben.

Und wenn Sie das nächste Mal neue Bewegungen am Kunstmarkt beobachten: Ziehen Sie sich doch Ihren inneren Hocker heran und nehmen Sie Platz. Von dort haben Sie einen guten Blick auf Ihren Horizont und die für Sie richtige Kunstformel.

Diese Kolumne wurde ursprünglich in der vierten Ausgabe des STRIVE Magazin publiziert.

Am Anfang glaubte niemand an den Erfolg. Ein Kunstwerk per Klick kaufen, ohne es persönlich mit eigenen Augen gesehen zu haben – undenkbar! Heute kommt man an Online in Sachen Kunsterwerb und Zugang zu Künstler:innen schwer vorbei. Das vergangene Jahr hat dem digitalen Kunstmarkt noch einmal ordentlich Auftrieb verschafft. Ein Blick in den Artsy Gallery Insights 2021 Report zeigt: das Ranking der Top-Verkaufskanäle hat sich im vergangenen Jahr deutlich verschoben. Social Media steigt zum drittbesten Vertriebsweg der Galerien auf. Die Messen rutschen pandemiebedingt auf den sechsten Platz.

Mit dem signifikanten Schritt Richtung digital und interaktiv läuten NFT die Stunde der Krytpo-Kunst ein. Non-fungible, also nicht austauschbare Token, repräsentieren ein einzigartiges Asset. Alle Fans des Digitalen finden im Kryptobereich eine kreative Auswahl, von Sammlerstücken in Form von mp4-, jpeg- oder gif-Dateien. Gespeichert werden Token in der Etherum-Blockchain; die Blockchain als Datenbank für den Eigentumsnachweis und Ether als Währung für den Kunstkauf. Handelsplätze sind Plattformen wie Makersplace und Foundation und Marketplaces wie Open Sea und Nifty Gateway. Große Auktionshäuser setzen bereits auf die Non-fungibles: So versteigerte Christie’s im März die digitale Collage „Everydays: The first 5000 days“ des Grafikkünstlers Beeple für fast 70 Mio USD.

Wer sich in NFT und Krypto-Kunst erst noch einfuchsen möchte, kann die Vielfalt der Kunstszene trotzdem unkompliziert und transparent im Netz entdecken. Hier kommen meine Insidertipps für Hochkultur im Warenkorb:

Für Fans klassischer Motive lohnt sich ein Stöbern durch die Prints und Limited Editions von Magnum Photos. Dem Gründungsmythos zufolge wurde das berühmte Fotografenkollektiv 1947 im New Yorker MoMa mit einer Magnumflasche Champagner aus der Wiege gehoben. Hier fusionieren Fotograf:innen aus aller Welt Journalismus und Kunst in herausragenden Arbeiten.

Auch Arbeiten wenig bekannter Künstler:innen erhalten durch innovative Positionierung online erstmals die Chance, gesehen zu werden – und bieten so schöne Gelegenheiten, in den Markt einzusteigen. Zu empfehlen ist ein Besuch auf der Webseite des electric art collective. Hier finden Sie sorgfältig kuratierte und erschwingliche Kunst von zeitgenössischen Künstler:innen mit wachsendem Bekanntheitsgrad. Das Credo: Kein Raum ohne Kunst! Und: Kein Alter zu jung, um mit dem Sammeln zu beginnen.

Und wie wäre es eigentlich, wenn der Kunstkauf gleichzeitig eine gesellschaftliche Wirkung hat? Schauen Sie einmal bei Her Clique vorbei. Die limitierten Werke bemerkenswerter Künstlerinnen werden exklusiv kreiert. Die Mission der 2020 in Leben gerufenen Online-Kunstplattform: Künstlerinnen fördern, bildende Kunst für alle zugänglich machen und dabei wichtige NGOs unterstützen!

Einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt auch die 2021 gegründete Hybrid-Galerie Assembly. Die Fusion aus Galerie, Agentur, kreativem Studio und Kunstberatung unterstützt ausgewählte, internationale Mixed Media Künstler:innen in ihrer Praxis, die sich zwischen Fotografie, Sound und Installation bewegen.

Schließen möchte ich meine Empfehlungsliste mit Subject Matter Art. 2011 als eine der ersten Online-Kunstgalerien gegründet, kuratiert die laufende Ausstellung How Did We Get Here? mit den Werken zehn junger, weiblicher Künstler:innen eine intensive Auseinandersetzung der großen Fragen des letzten Jahres: £10 des Verkaufserlöses gehen dabei an TERN, The Entrepreneurial Refugee Network, in London. Auf Wunsch fertigen die präsentierten Künstler:innen auch individuelle Werke an.

Diese Kolumne wurde ursprünglich in der dritten Ausgabe des STRIVE Magazin publiziert.

Je älter ein Gewerbe, ein Handel, oder Handwerk, desto markanter und durchaus skurriler sind die Akteure, die sich darin bewegen. Dies gilt besonders für den Kunstmarkt. Denn der Kauf von Kunst ist so individuell, wie die Menschen, die sie erwerben. Manche komplettieren mit einem Kunsterwerb tiefe, persönliche Sehnsüchte. Anderen geht es um Ästhetik und Vollendung, wieder andere erwerben Kunst als Wertanlage. Sammler:innen sind rar, das Kunstevent-Vernissage-Publikum war vor der Pandemie überproportional groß. Auf dem Parkett des Kunstmarkts bewegt sich jeder ein wenig anders: Absolut diskret, Effekte suchend, extrem autark, mit stiller Freude oder Kamerateam im Handgepäck. Über die Jahre sind mir gewisse Typen von Käufer:innen in der Kunstmarktszene immer wieder begegnet. Ihnen vielleicht auch?

Der Archetyp der Kunstsammler:innen sind die Genießer:innen. Sie suchen fortlaufend nach neuen wundervollen Werken, die ihr Zuhause verschönern. Genießer:innen nehmen sich Zeit und lassen sich gern beraten. Sie haben bereits gesammelt, als Kunst mehrheitlich kein Spekulationsobjekt war und öffnen sich mit Freude neuen Strömungen und Positionen am Markt. Weniger versonnen, jedoch hochkonzentriert, suchen die Ästhet:innen. Sie verlangen oft gezielt nach Werken und Künstler:innen oder lassen sich von Expert:innen in ihren feinstofflichen Ansprüchen beraten. Für Ästhet:innen ist Kunst der pure Ausdruck ihrer selbst. Ihre Auswahl ist brillant. Oftmals lähmt sie die Suche nach der perfekten visuellen Erweiterung aber, sich zu entscheiden. In dieses Szenario wiederum geraten Investmentkäufer:innen eher selten bis gar nicht. Bei ihnen trifft rationales Denken auf gut geschulten Instinkt. In ihrem jeweiligen finanziellen Rahmen suchen sie nach dem Optimum für ihr Geld. Nur zu gern folgen sie Einladungen zu Events, auf denen sie Expert:innen mit Insiderwissen vermuten. Denn: Für Investmentkäufer:innen ist weniger das Gefühl, sondern die richtige Performance eines Kunstwerks entscheidend für ein Match und sie lieben den dynamischen Wettbewerb um den Zugang zu Kunstmarktinformationen.

Die absoluten Traumkunden aller Galerien sind die Spontankäufer:innen, auch Dream Buyers genannt. Ihre Entscheidung zum Kauf von Kunst steht oft in direkter Beziehung zu den äußeren angenehmen Umständen, in denen sie diese vorfinden. Die Outdoor-Vernissage? Einfach zu verlockend! Interessant ist für sie der Augenblick; das aus dem Bauch heraus agieren und sich wohl zu fühlen. Ganz im Gegensatz zu den Verlegenheitskäufer:innen. Eigentlich wissen sie, was ihnen gefällt und was sie kaufen möchten. Doch die Sehnsucht nach Harmonie, die Angst jemanden durch Ablehnung zu kränken, sich zu blamieren oder aus gesellschaftlichen Kreisen ausgeschlossen zu werden, ist oft stark. Und so trauen Verlegenheitskäufer:innen sich nicht zu sagen, was ihnen nicht hundertprozentig gefällt, oder dass ihnen der Preis zu hoch ist. Das könnte zumindest den Trophäenjäger:innen nie passieren. Sensationelle Preise, spektakuläre Auktionen und mediales Blitzlichtgewitter sind ihnen ebenso lieb wie das Kunstwerk selbst – vielleicht sogar noch lieber. Der Fluch der Superlative bringt allerdings auch Sisyphus-Sorgen mit sich. Denn für diese Jäger:innen von Status und Prestige ist nach dem Kauf wieder vor dem Kauf und das Zielfernrohr muss ständig neu justiert werden. Aber wie sagt man so schön? Alle nach ihrer Façon. Ob nun zum Genuss, als Trophäe oder Investment: Hauptsache, es bleibt bunt. Und Kunst wird gekauft.

Diese Kolumne wurde ursprünglich in der zweiten Ausgabe des STRIVE Magazin publiziert.

Verliert die alte Welt an Wert?

Erstmalig hat Ende 2020 ein Bild des Street Art Künstlers Banksy auf einer Auktion in London, mehr Geld eingebracht, als ein Portrait von Picasso. Über 8 Millionen EUR wurden für „Show me the Monet“, eine Anlehnung an die Arbeiten des Impressionisten Claude Monet, gezahlt. Picassos „Tête d’Homme“ wirkte dagegen mit einem Gesamterlös von 4.4 Millionen EUR beinahe ungebührlich platziert. Zeitgleich erlöste die Arbeit „Elevator“ der 45-jährigen Amerikanerin Dana Schutz bei einem anderen Auktionshaus mit 6,5 Millionen USD das Doppelte ihres Schätzpreises und schlug Andy Warhols Zeichnung „Cambell´s Soup Can“, die für 6,1 Millionen USD neue Besitzer:innen fand. Sechs Jahre zuvor erzielte dieselbe Arbeit noch ein Auktionsergebnis von 7,4 Millionen USD. Das erzeugte ein nachhaltiges Echo.

Sind die ertragreichen Jahre mit den Blue-Chip Künstler:innen etwa angezählt? Und wenn ja, welche Kräfte sind für den Shift verantwortlich?

Das Geld

Mehr als 2.000 Milliardär:innen weltweit zählte das amerikanische Wirtschaftsmagazin Forbes in 2020. Die Mehrheit konnte ihren Reichtum trotz, oder teils auch gerade wegen der globalen, pandemiebedingten Disruption sogar noch weiter steigern. Sie kommen aus Amerika und China und machen ihr Geld in den Sektoren Gesundheit, Industrie sowie Technologie. Ein Teil dieses Geldes wird auf den größten Handelsplätzen für Kunst, sprich New York und Hongkong, wieder investiert. Die Rendite, die dabei mit der Kunst zu machen ist, ist für die Mehrzahl der Käufer:innen allerdings zu mager. Auch kann es lange dauern, bis der Gewinn einer Arbeit realisiert werden kann. Gekauft wird deshalb gerade im Auktionsmarkt vermehrt, was im Begriff ist, sich einen Namen zu machen. Und, nicht zu vergessen: was den neuen Besitzer:innen Freude zu bereiten scheint. Diese Freude darf dementsprechend auch ihren Preis haben.

Die Unsicherheiten

Schaffen viel Geld und wenig Erfahrung volatile Kunstmärkte? Dies nur den engagierten Käufer:innen anzulasten, wäre zu einfach gedacht. Die Unsicherheiten sind allen Ortes zu spüren. Zudem gilt die Regel, dass der Wert zeitgenössischer Kunst sich oftmals erst über die Jahre herausbildet und es schwierig ist, diesen jetzt zu schon verlässlich zu bepreisen. Im Herbst und Winter 2020 tendierten die Auktionshäuser für dieses Segment zu niedrigen Schätzungen: möglicherweise zu niedrig. Zudem gab es keine sicheren Prognosen, wie sich die zweite Lockdown-Phase in Europa und die politische Lage in Amerika entwickeln und im Kunstmarkt niederschlagen würde. Und so konnte es Beobachter:innen auf den folgenden Auktionen zwischenzeitlich schwindelig werden. Die Gebote für zeitgenössische Kunst gingen preislich durch die Decke. Eine Verdoppelung oder Verdreifachung der ursprünglichen Schätzpreise war eher die Regel, als Einzelfall. Besonders die internationale, jüngere Käuferschaft trieb die Preise nach Aussagen der Auktionshäuser nach oben. Nicht lange auf sich warten ließen entsprechend die Klagen über das Schwinden kultureller Ideale, Werten und Wurzeln. Einiges Augenbrauenrunzeln erntete die Tatsache, dass vor einem Jahr im Primärmarkt erworbene Arbeiten nun schon wieder für Auktionen eingeliefert wurden.

Ein eisernes Gesetz des Kunstmarkts lautete bislang, dass belohnt wird, wer die künstlerische Idee (oder Vision) zuerst umgesetzt hatte. Die neue Fusion aus zeitgenössischen Künstler:innen, jungen Käufer:innen und dem Internet mit seinen Technologien hat ihre eigenen Gesetze. Im Kunstmarkt wird längst damit verdient, wer eine Idee zuletzt hatte und online wirkungsvoll darauf aufmerksam macht. Zudem läuft der Nachschub an gegenwärtiger Kunst weiterhin ungebrochen, während am traditionellen Markt Flaute zu herrschen scheint. Das Problem ist somit hausgemacht.

Die Herausforderung: Private Sales

Verschwiegenheit und Offenheit sind ungleiche Geschwister im Kunstmarkt. Während aktuelle Studien zeigen, dass für Käufer:innen der große Gewinn aus der Pandemie die langersehnte Transparenz im Kunstmarkt ist, wuchs in der Krisendämmerung eine interessante Gegenbewegung heran: der diskrete Private Sale. Hier wechseln Arbeiten unter Ausschluss jeder digitalen oder analogen Öffentlichkeit und ohne großes Medienecho in neue Hände.

Für die Auktionshäuser sind die Privatverkäufe Fluch und Segen zugleich. Der Benefit: In einem unbeobachteten Umfeld gehen leichter große Summen über den Tisch. Das bringt wichtige Umsätze und bindet Kund:innen ans Unternehmen. Die Kehrseite der Medaille: Es fehlen die großen Namen als Zugpferde für Auktionen. Prestigeträchtige und für Auktionen lebensnotwendige Lose werden nicht eingeliefert. Die hohe Nachfrage auf dem Auktionsmarkt trifft auf Besitzer:innen, die in Krisenzeiten gerne behalten, was sie haben. Oder es, bei Belieben, gerne äußerst unauffällig veräußern.

Es tut dem Kunstmarkt gut, dass seine Glaubenssätze in Frage gestellt werden. Denn so wie jedem neuen Anfang ein Zauber innewohnt, haben frische Arbeiten und Werte nun die Chance, sich zu etablieren und zu wachsen. Den Untergang der Blue Chip Künstler:innen gibt es trotzdem noch nicht zu beweinen.

Wenn es durch die Pandemie in 2020 eine Delle im Auktionsmarkt gab, so ist sie – bis auf die Ausnahme eines großen Auktionshauses – bislang noch eine sanfte Einbuchtung: Die Umsätze der größten Häuser tangieren nach wie vor im Milliarden-Bereich. Picassos Thron ist vielleicht angesägt. Aber für einen kapitalen Sessel reicht es immer noch.

Die alte Kunstwelt ist kaputt. Das war sie allerdings auch schon, bevor die Pandemie den analogen Kunstmarkt 2020 endgültig aus der Bahn warf. Die Käuferschaft: zu alt, zu reich, zu privilegiert und vor allem: zu klein in der Summe. Man möge sich das kurz mal vorstellen. Der ganze Kunstzirkus wurde für eine Handvoll Sammler:innen veranstaltet. Ein paar Tausend sind es weltweit. Mehr nicht.

Es ist nicht die erste Krise, auf die der Kunstmarkt heftig reagiert. Er ist Teil eines sehr eigenen Wirtschaftszyklus. Warum stellt es sich also dieses Mal für mich ganz anders dar? Weil die gegenwärtige Erschütterung nicht nur den technologischen Paradigmenwechsel sichtbar macht, sondern parallel einen Generationswechsel einläutet. Letzterer bedient die unerschütterliche, vielleicht naive Hoffnung, dass jüngere Generationen etwas aus dieser Krise machen und den Markt retten, um nicht zu sagen: ihn neu erfinden.

Es ist, zugegeben, egoistisch, diese Generationen das Erbe einer kollabierten Kunstbühne antreten zu lassen. Aber es birgt die realistische Möglichkeit, eine neue Kunstwelt entstehen zu lassen – indem man dieser Chance nicht im Weg steht. Und so ist die Zeit reif für eine Intervention: Ich finde, dem bis dato überhitzten Kunstmarkt bekommt die neue Augenhöhe gut. Lassen Sie uns mit dieser Kolumne also gemeinsam und mit Spannung in die äußerst schaffensfreudige Kunstlandschaft blicken, denn: Die Hemmschwellen, sich mit Kunst vertraut zu machen, liegen so tief wie nie zuvor.

Die nebulöse Preisgestaltung weicht einer neuen Preistransparenz. Virtuelle Showrooms und Kunstkauf-Optionen öffnen sich nun mit einem Klick. Der Umsatztrend, Kunst online zu kaufen, ist positiv messbar. Die Zahlen wachsen schnell und nachhaltig. Gatekeeper öffnen die Türen zu Insider-Informationen und neuen Räumen. Doch noch hängt die Verunsicherung wie Nebel über der neuen Kunstwelt. Wird das bleiben?

Galerist:innen sind im vergangenen Jahr voll in die Eisen gestiegen, um explodierende Kosten auszubremsen und in den ersten Monaten der Pandemie fehlende Umsätze abzupuffern. Doch die oft überschaubaren Rücklagen kompensieren diese Einbußen nur vorübergehend. Neu an dieser Krise ist, dass auch erfolgreiche Galerien und Künstler*innen die Grenzen ihrer Ressourcen erreichten. Die Top-Player auf beiden Seiten einmal ausgenommen, also jenes eine Prozent, von dem wir fälschlicherweise annehmen, es sei der Kunstmarkt. Es sind die restlichen Prozent, die kämpfen, um nicht zu dicht am Abgrund zu stehen. 2021 wird diese Kluft größer machen und nicht jede Galerie wird überleben.

Die guten Ergebnisse im Online-Verkauf geben Schwung fürs neue Jahr. Den Künstler:innen und Galerien, die eine finanzielle Vollbremsung hinlegen mussten stehen seit dem vergangenen Jahr vermehrt neue und junge Käufergruppen, zur Seite. Sie begegnen Kunst unvoreingenommen und mehrheitlich virtuell, Instagram ist hier wichtigster Kanal und zugleich Trendscout-Tool. Der Kunstmarkt wird größer, digitaler und globaler. Neu ist die komplementäre Rückbesinnung auf das Lokale, auf den eigenen Markt und die Künstler:innen vor Ort.

Und keine Sorge: Die große Frage nach dem, was Kunst ist und wohin sie sich entwickelt, wird uns weiter beschäftigen. Die Kunst dehnt sich mit der Digitalisierung und den neuen Generationen weit über ihre bisherige Definition aus. Sie wird universeller und möglicherweise unschärfer. Vielleicht weil es so leicht ist, Informationen zu beschaffen, und die Präsentationsmöglichkeiten so effizient geworden sind? Die Schaffenskraft der Künstler:innen ist ungebrochen. Es wäre doch schön, wenn wir diese Entwicklung mit unserer Kaufkraft und Faszination für die Kunst noch weiter verstärken.

Diese Kolumne wurde ursprünglich in der ersten Ausgabe des STRIVE Magazin publiziert.

Markus Winkler/unsplash

Wie Millennials und BabyBoomer den Kunstmarkt retten, warum Covid-19 lokalen Märkten Aufwind verschafft und wer für 2021 optimistisch in die Zukunft blicken darf

Die Krise offenbart, woran der Kunstmarkt seit langem krankt: an einer veralteten und übersichtlichen Käuferschaft, Intransparenz, kostenstrapazierenden Messen und dem Fokus, Kunst als Wertanlage mit hohen Renditen zu vermarkten. In der kürzlich publizierten UBS-Studie „The Impact of Covid-19 on the Gallery Sector“ wurden die Auswirkungen der Covid-19 Pandemie auf den 64 Mrd. USD schweren Kunstmarkt untersucht. Die Umfrage gibt Einblicke in die Erfahrungen von Galerist*innen und das Verhalten von vermögenden Käufer*innen im wirtschaftlich angeschlagenen Kunstmarkt.

Krise? – Vermögende Akteure kaufen gegen den Trend und investieren Millionen

Kunst entwickelte sich in bestimmten Preissegmenten zur Kapitalanlage, da sie neben Immobilien und Gold in Krisenzeiten als sichere Option zum Werterhalt von Vermögen gilt. Die kapitalstarken Käufer*innen verhielten sich dementsprechend antizyklisch im einbrechenden Markt: 92 Prozent der befragten vermögenden Sammler*innen waren im ersten Halbjahr trotz Pandemie aktiv und erwarben weiterhin Kunst. 16 Prozent von ihnen investierten dabei über 1 Million USD, während 56 Prozent aller Befragten mit ihren Ausgaben für Kunst bei über 100.000 USD lagen. Was überrascht: Je älter die Käuferschaft, desto weniger kooperierte sie mit Galerien.

Krise! – Umsatzeinbruch, Personalabbau und Kostenbremse bei den Galerien

Am härtesten trifft die Pandemie die Galerien mit einem Umsatz von weniger als 500.000 USD (in der Studie als „kleinere Galerien“ bezeichnet). Sie vermeldeten die höchsten Verkaufsrückgänge, einhergehend mit dem größten Anteil des Personalabbaus (38 Prozent). Statt sich wie im Jahr zuvor auf das Messegeschäft und eine internationale Käuferschaft zu konzentrieren, galt im ersten Halbjahr 2020 vor allem: Kosten senken, um rentabel zu bleiben. Die bereits vor der Pandemie herrschenden fragilen Beschäftigungsstrukturen hielten den fehlenden Umsätzen als Konsequenz der Schließungen der Verkaufsräume, den abgesagten Messen und dem vernachlässigten Online-Geschäft nicht stand. Verglichen mit dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, verzeichneten Galerien einen Rückgang der durchschnittlichen Verkäufe um 36 Prozent (bei einem mittleren Rückgang um 43 Prozent).

Einziger Lichtblick: 2019 stellten die Ausgaben für Kunstmessen mit durchschnittlich 29 Prozent der Jahresbudgets den größten Kostenblock dar; höher als Löhne oder Mieten. Durch die Absage von Veranstaltungen halbierten sich diese Ausgaben in der ersten Hälfte des Jahres 2020 beinahe und auch die Reisekosten wurden um mehr als ein Drittel gesenkt. Für einige Galerien kompensierte dies die Verluste aus fehlenden Verkäufen, da andere Kosten relativ stabil blieben.

Auftrieb: Millennials überraschen mit Kaufkraft und Optimismus

Als tragende und treue Stütze des Kunstmarktes erwies sich unerwartet die Generation der Millennials. Die medial als überfordert und egoistisch bezeichnete „Generation Me“, dieses beruflich ins Abseits geschriebene Cluster einstiger Hoffnungsträger*innen, rettete in den ersten sechs Monaten des Jahres 2020 vielen Galerien weltweit ihre Existenz. So hatte das Millenniums-Segment hier den größten Anteil an den höchsten Umsätzen: 17 Prozent investierten im ersten Halbjahr 2020 mehr als 1 Million USD, gegenüber kargen 4 Prozent der Boomer. 59 Prozent der befragten Millennials bestätigten, dass die Pandemie ihr Interesse zu sammeln beflügelte und hielten ihren Künstler*innen am konsequentesten die Treue.

Paradigmenwechsel: Boomer fördern neue Positionen

Lange galten diese finanzstarken Käufer*innen, besonders aus den USA, als garantierte Umsatzbringer*innen. Ihre finanziellen Möglichkeiten, weltweit zu Messen und Kunstevents zu reisen, gepaart mit einem jährlich gut aufgestockten Budget für ihre Einkäufe, machten sie zu den wichtigsten Wertebewahrer*innen und -optimierer*innen im Wirtschaftssystem Kunst.

Es ist insofern nicht überraschend, dass der Fokus von Galerien in der Vergangenheit überproportional auf diese überschaubare, schwer zu fassende und tatsächlich wenig loyale Kohorte gerichtet war. Die aktuellen Zahlen der UBS-Survey dokumentieren in diesem Punkt einen Paradigmenwechsel im Kunstmarkt. Zwar kauften 40 Prozent der Befragten aus der Generation Boomer in den ersten Monaten der COVID-19 Krise mehr als doppelt so viel wie Millennials, verzichteten dafür allerdings auf die Unterstützung von Galerien, welche die Arbeiten ihrer Künstler*innen bei der solventen Käuferschaft nicht platzieren konnte. Entsprechend profitierten neue und unentdeckte Positionen vom Unabhängigkeitsgeist und der Kaufkraft der Boomer-Generation, insbesondere derer aus Großbritannien.

The Winner Takes It All: Onlinehandel profitiert von Neukundengeschäft

Wie zu erwarten zählen die guten Ergebnisse im Online-Verkauf zu den positiven Auswirkungen der Pandemie. Händler*innen berichteten, dass 26 Prozent ihrer Verkäufe an Kund*innen ging, mit denen sie noch nie persönlichen Kontakt hatten. Besonders für Galerien mit einem Umsatz von weniger als 250.000 USD erwiesen sich die Online-Verkäufe als existenziell: hier waren Neukund*innen für 35 Prozent des Online-Umsatzes verantwortlich.

Die größten Player im Kunstmarkt profitierten dabei überdurchschnittlich vom Wachstum im Online-Segment (2019: +10 Prozent, 2020: +37 Prozent , erstes Halbjahr im Vergleich). Galerien mit Umsätzen von über 10 Mio. USD verzeichneten mit fast fünffacher Steigerung den höchsten Sprung (auf 38 Prozent), für Verkäufe im Internet.

Hashtag-Buyers: Instagram als wichtigster Kanal

Der Trend, Kunst online zu erwerben, entspricht der gesamten Entwicklung des Kunstmarktes, der aufgrund stetig neuer Käufer*innen immer größer, digitaler und globaler wird.

Etwas mehr als ein Drittel der Sammler*innen nutzten die virtuellen Räume von Galerien oder weiteren Online-Plattformen für den Kauf von Kunst. Wenig überraschend auf dem Siegertreppchen: die audiovisuelle Plattform Instagram. Satte 32 Prozent der Befragten gaben an, Werke direkt über Instagram gekauft zu haben.

Eine der größten Errungenschaften in der Covid-19 Krise ist die steigende Preistransparenz im Kunstmarkt. Für über 80 Prozent der Befragten war die klare Bepreisung eine der Grundvoraussetzungen beim Durchstöbern der Angebote im Netz.

Lokal vs. global: Kunstmessen unter Druck

Das Geschäft der Kunstmessen ist eng mit ganzen Wirtschaftszweigen verwoben: Versicherungen, Hotellerie, Gastronomie, Eventmanagement, Logistik, Druckereien und weitere Branchen tragen mit einem Heer an Mitarbeiter*innen maßgeblich Anteil zum Erfolg des Messegeschäfts bei. Hier trifft der Optimismus vermögender Sammler*innen für 2021 möglicherweise auf eine desolate ökonomische Lage.

Trotzdem: Sich zu treffen, zu zeigen und Kunst vor Ort zu begutachten wird eine der Urbewegungen in der Kunst bleiben. Auch das Messegeschäft wird vorerst als Hauptfeiler für Galerien und somit wichtigster Treiber für Umsätze standhalten. Vor allem jüngere Sammler*innen planen aktiv, Kunst-Veranstaltungen sowohl vor Ort als auch weltweit zu besuchen. Messen in den eigenen Ländern und Städten, nehmen an Bedeutung und Sichtbarkeit zu. Die Kosten sind geringer, es kann mehr und abwechslungsreicher gezeigt werden. Das regional eher vernachlässigte Publikum ist zu einer attraktiven Zielgruppe für den Kunstkauf herangewachsen und freut sich über die neue Aufmerksamkeit.

Ausblick 2020: Trotz leichtem Optimismus gedämpft

Auch angesichts positiver Entwicklungen und Impulse bleibt die Stimmung unter den Galerist*innen vorerst trüb: Eine Verbesserung der Verkäufe auf Messen ist ihrer Meinung nach nicht in Sicht (91 Prozent).

Galerien und Kunsthandlungen ohne einen Kundenstamm jüngerer Käufer*innen werden die Auswirkungen der Covid-19 Krise wirtschaftlich am härtesten spüren.

Während die Sammler*innen aus China und Hongkong am wenigsten optimistisch in die Zukunft blicken, sind die Sammler*innen aus USA positiver aufgestellt. Die längerfristige Zunahme des Vertrauens in den Kunstmarkt spiegelt besonders dort die Zuversicht in das Kunstjahr 2021 wider.

Photo Lindsay Henwood/unsplash

Ist das Kunst oder kann das weg? Viele Menschen glauben, dass sie nicht genug Ahnung von Kunst haben, um den Preis eines Werks realistisch beurteilen zu können. Sie scheuen sich aus verschiedenen Gründen, selbstbewusst eine Galerie, ein Atelier oder einen Messestand anzusteuern. Das ist bedauerlich, aber verständlich; schließlich wirkt der Kunstmarkt nicht nur auf Unerfahrene komplex und Hinblick auf die Preise intransparent. Sehr gut möglich, dass Sie sich bereits mit den beiden großen Fragen beschäftigt haben: Wie erkenne ich richtig gute Kunst? Wer setzt eigentlich die Preise fest, die gefühlt immer zu hoch sind?

Als sehr spezielles Phänomen des Konsums und aufgrund zahlreicher Berichte über Kunst-Eliten und Höchstgebote kann der Kunstmarkt durchaus einschüchternd wirken. Leider gerät dabei häufig in Vergessenheit, dass es jenseits von Top-Losen und Blue-Chip Galerien einen unaufgeregten, leisen Kunstmarkt gibt, auf dem Prestige, Preisrekorde und Privatjets keine Rolle spielen. Für jeden zugänglich, bietet er die Chance, großartige Kunst mit Muße zu betrachten, sich zu verlieben und sie zu kaufen.

Mit diesem Quick-Guide für Anfänger*innen ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt, um den Einstieg in den Kunstmarkt zu finden. Los geht´s!

1. Geben Sie Ihren Augen Futter!

Galerist*innen, Sammler*innen und Kunstprofis schulen ihr Auge – ständig. Von Aachen bis Abu Dhabi war ihr Kalender mit Messeterminen, Biennalen, Triennalen und Vernissagen gespickt. Jetzt sind sie mehrheitlich online unterwegs. Das können Sie auch! Besuchen Sie so oft es geht ein virtuelles Kunstevent, ein Museum, den Kunstverein in Ihrer Umgebung oder blättern in einem Kunstkatalog. Denn je mehr gute Kunst Sie sehen, desto besser werden Sie starke Arbeiten von schwachen Werken oder gar von Dekoration unterscheiden können.

Übrigens: Arbeiten wenig bekannter Künstler*innen aus kleinen Galerien erhalten durch die Online-Präsenz erstmals die Chance, überhaupt gesehen zu werden – und bieten so gute Gelegenheiten, in den Markt einzusteigen.

2. Stellen Sie diese sieben Fragen, um zu filtern!

Neben Basics wie – wo haben die Künstler*innen studiert, ausgestellt, veröffentlicht – lohnen sich folgende Fragen: Gibt es ein künstlerisches Erkennungszeichen? Das Werk guter Künstler*innen sollte etwas Einzigartiges haben, einen hohen Wiedererkennungswert, eine eigene Handschrift. Gibt es einen Bruch? Gute Arbeiten haben meist eine Irritation. Eine Ungereimtheit, die fesselt und ins Bild zieht und im Gedächtnis bleibt. Wie haben sich die Künstler*innen über die Jahre entwickelt? Bauen ihre Werkzyklen (z.B. Serien) aufeinander auf? Verfeinern sie ihre Technik? Wie intensiv behandeln Künstler*innen ihr Thema? Welchen Aufwand betreiben sie dafür? Künstler*innen recherchieren häufig monatelang bis sie mit der Umsetzung beginnen.

3. Muss gute Kunst teuer sein?

Den richtigen Preis für ein Kunstwerk gibt es nicht. Er ist ein Hybrid aus Nachfrage, Image, Weltwirtschaftslage, Künstler*innen-Vita und Originalität. Niemand wird für wenig bekannte Künstler*innen überteuerte Preise verlangen. Schließlich sollen ihre Werke verkauft und damit bekannter werden. Den Wert etablierter Künstler*innen wiederum bestimmt der Markt. Auch hier werden Galerist*innen selten Experimente wagen, denn sie wissen, was Käufer*innen ausgeben würden und was nicht. Bei dekorativen Arbeiten sieht es oft anders aus. Weil der Mythos „was viel kostet muss gut sein“ uns wirtschaftlichen Wert suggeriert, sind plakativ-oberflächliche Arbeiten in handwerklich schlechter Ausführung oft überteuert.

4. Hören Sie auf Ihre Intuition!

Vintage-Prints, Seestücke oder indische Gegenwartskunst – Sie entscheiden, was Ihnen wirklich gefällt. Hören Sie auf Ihre Intuition oder entscheiden Sie sich bewusst dagegen. Ihr Bauchgefühl beruht auf bereits gemachten Erfahrungen und kann Sie beim Kunstkauf in die Irre führen. Nehmen Sie sich ein bis drei Nächte, um über eine Kaufentscheidung zu schlafen. Sammeln Sie auf Ausstellungen Preislisten ein, um ein gutes Gefühl für Zahlen im Kunstmarkt zu bekommen. Weltweit können Sie – nach einer häufig erstaunlich unkomplizierten Anmeldung und quasi unbehelligt – Preise vergleichen und kaufen, bzw. bei Auktionen auf ein Kunstwerk bieten. Wer hier gezielt schaut, kann sich rasch orientieren und Vorteile nutzen.

Achtung: Kaufentscheidungen sind verbindlich. Um ein, zwei Tage Bedenkzeit können Sie ohne schlechtes Gewissen bitten. Allerdings sollten Sie es nicht zur Gewohnheit werden lassen bei Galerien zu reservieren, ohne dann anschließend zu kaufen. Das wirkt schnell unseriös und wäre schade, weil Sie Galerien und Künstler*innen mit Ihrer Reservierung Hoffnung auf einen Verkauf machen. Erkundigen Sie sich bei begrenztem Budget nach Finanzierungsmöglichkeiten, zum Beispiel An- oder Ratenzahlungen in passenden Portionen.

5. Darf ich beim Preis verhandeln?

Wenn es sich dabei um eine Edition, einen Druck handelt, dann könnten Sie mit dem nötigen Fingerspitzengefühl versuchen, einen kleinen Preisnachlass auszuhandeln. Sollte es sich um ein Einzelstück, eine seltene Arbeit eines Künstlers handeln, haben Sie wahrscheinlich schlechte Karten. Bedenken Sie, dass sich Galerist*innen oder Künstler*innen in der Regel den Verkaufspreis zu je 50 Prozent teilen. Dass sie viel Arbeit, Herzblut und nicht zuletzt Kosten in die Realisierung der Werke und der Ausstellung gesteckt haben. All das kostet sehr viel mehr, als Sie auf den ersten Blick vermuten würden.

Achtung: Erliegen Sie nicht der Versuchung auf Ausstellungen, Messen oder Galerienwebsites gesehene Arbeiten direkt bei Künstler*innen kaufen zu wollen, obwohl Galerien oder Kunsthandlungen klar den Künstler*innen zuzuordnen sind. Wenn alles seine Ordnung hat und die Künstler*innen integer sind werden sie Sie an die richtigen Ansprechpartner*innen verweisen.

6. Nebenkosten – Was kommt auf mich zu?

19% MwSt.: sollte beim Kauf enthalten, bzw. ausgewiesen sein – wenn es nicht auf der Rechnung steht oder nicht klar ersichtlich, fragen Sie nach! Bei Käufen im Ausland gelten andere Mehrwertsteuersätze. Auch die Höhe der Zölle bei Ausfuhr sowie Einfuhr sind dann zu beachten. Rahmung: üblich ist es, das Bild in einer Ausstellung „gekauft wie gesehen“ zu erwerben, also mit Rahmen, wenn es so in der Galerie hängt. Außer es ist anders ausgewiesen. Erkundigen Sie sich. Falls die Bilder rahmenlos angeboten werden, lohnt die Frage, ob der Rahmen als Rabatt inklusive wäre. Logistik: Für die Kosten der Lieferung Ihres Werkes sind Sie zuständig. Dies könnte allerdings etwas Verhandlungsspielraum bieten, sollte die Galerie die Lieferung als Rabatt im Preis mitberücksichtigen. Ich sage Ihnen ganz offen: das kommt selten vor.

7. UUUPS! – FEHLKAUF

Natürlich ist es ärgerlich, wenn viel Geld für etwas ausgegeben wurde, was schon nach kurzer Zeit aus dem Wohnzimmer in den Keller verbannt wird, weil es Ihnen doch nicht mehr gefällt. Ganz wichtig: Treffen Sie jetzt keine vorschnellen Entscheidungen. Behalten Sie die Arbeit erst einmal. Lagern Sie Ihr Kunstwerk ein und schauen nach einer Weile noch einmal drauf. Und Lassen Sie sich nicht von gut gemeinten Ratschlägen Außenstehender in die Irre leiten – die Zeit ist hier oft der bessere Ratgeber.

8. AUAA! – BUDGET GESPRENGT

Man verliebt sich in eine Arbeit, besiegelt den Kauf – und hat sich finanziell überschätzt, weil vielleicht unvorhergesehen höhere Ausgaben angefallen sind. Passiert. Trotzdem kein schönes Szenario. Natürlich auch für die Galerien, weil sie den Künstler*innen ihren Anteil möglicherweise schon ausgezahlt haben. Ein sofortiger Wiederverkauf wirft ein schlechtes Licht auf den Urheber: also auf Sie. Und wer ein Werk um jeden Preis loswerden will, wird eher Verluste machen und selten den erhofften (realistischen) Preis dafür bekommen. Gehen Sie offen mit dem Thema um und suchen das Gespräch mit den Galerien. Insbesondere dann, wenn diese beim Verkauf ein Vorkaufsrecht geäußert haben, zum Beispiel bei einer herausragenden Fotoarbeit oder einer seltenen Edition.